Dienstag, 27. Oktober 2009

Polizistenrekrutierung in Indien


Über die originelle und erfolgreiche Rekrutierungsaktion der Berner Polizei habe ich im Blog berichtet. "Tschugger sind dumm", remember...

Wie die Suche nach Nachwuchs für das Polizeikorps in Indien funktioniert, will ich nun kurz berichten. Von mehreren Leuten in Indien haben wir das gleiche Vorgehen geschildert erhalten. Es von offizieller Stelle bestätigen zu lassen, dürfte nicht ganz einfach sein! Hab's auch nicht probiert.


  1. Anmeldung zur Prüfung
    Ein Job bei der Polizei ist sehr beliebt und es interessieren sich sehr viel mehr Männer als es offene Stellen hat.

  2. Prüfung
    Sehr viele sportliche Tests müssen absolviert werden. Weitsprung, Hochsprung, Langstreckenlauf, Klimmzüge, Liegestütze - körperliche Fitness ist also Bedingung. Wer alle Prüfungen erfolgreich absolviert wird zum nächsten Teil eingeladen.

  3. Gespräch mit dem Recruiter
    Die Tauglichkeit wird abgeklärt, Motivation etc. Mehr Infos über das Gespräch war leider nicht herauszufinden.

    Bisher war das Rekrutierungsverfahren ja noch einigermassen verständlich und üblich. Was nun folgt, weicht aber von den bei uns üblichen Schritten ab:

  4. Geld auftreiben
    Wer bisher alle Hürden erfolgreich hinter sich gebracht hat, dem wird nun ein Betrag genannt, den er auftreiben muss. Die Summen bewegen sich in für indische Verhältnisse enormen Grössenordnungen. Zwei- bis Viertausend Dollar (in Form von Rupien natürlich) muss der Interessent nun auftreiben. Die ganze Verwandschaft wird um Unterstützung gebeten, überall werden Kredite aufgenommen.

  5. Geld abliefern
    Der Betrag wird nun dem Rekrutierungsverantwortlichen übergeben und verschwindet auf Nimmerwiedersehen in dessen Tasche. Auch andere Taschen werden von diesem Geld gestopft. Vorgesetzte und andere Beteiligte wollen schliesslich auch ihren Anteil. Bestechung würden wir dies nennen.

  6. Polizist sein und Schulden tilgen
    Das Einkommen eines Polizisten in Indien ist nicht sehr gut, es reicht knapp zum Leben aber auf keinen Fall, um die grossen Schulden zurückzuzahlen. Also ist der Mann (Frauen haben wir nie gesehen) gezwungen, selber für Nebeneinkünfte besorgt zu sein. Eine sehr erfolgsvesprechende Art ist: (sie haben es vielleicht geahnt) die Bestechung.

Immer wieder konnten wir beobachten wie Polizisten Verkehrsteilnehmer anhielten, die Hand hinstreckten, einige Scheine kriegten und den Fahrer dann durchwinkten. Er braucht im Normalfall gar nicht zu sprechen, alle kennen das Spiel. Wer nicht ins Gefängnis will bezahlt lieber freiwillig. Denn irgend einen Grund für einen kurzen aber nicht sehr angenehmen Aufenthalt in einem indischen Gefängnis werde bei Bedarf immer gefunden. So ca. 15 bis 20 Jahre bräuchte ein normal tüchtiger Polizist um seine Schulden abzuzahlen. Danach darf er für seine Bedürfnisse "arbeiten" und ein finanziell sorgloses Leben führen (dies ist auch der Grund wieso dieser Beruf in Indien so beliebt ist).

Einmal wurden auch wir angehalten. Als der Polizist aber Touristen im Auto entdeckte, nahm er seine Hand sofort zurück und unser Fahrer durfte die Fahrt wieder aufnehmen. Gratis.

Wie es gelingen soll, solche Korruptionsmechanismen abzuschaffen, ist allen unklar. Den Kreislauf zu durchbrechen erscheint unmöglich. Ganz schön raffiniert das System. Aber auch irgendwie hoffnungslos für die "normale" Bevölkerung.

Ich ziehe auf jeden Fall die Berner Variante und die Berner Tschugger vor.
Gruss
Gabriel Bosson

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